Was ist ein Zertifikat?

"Der Kunde gewinnt nur dann, wenn die Bank verliert."
Malte Heynen: "Der Raubzug der Banken", Seite 212

"Ich habe kein einziges Zertifikat in meinem Depot."
Hilmar Kopper


Mehr muss man über Zertifikate im Grunde gar nicht wissen. Zertifikate sind Wetten von Banken gegen ihre eigenen Kunden! Es gehört nicht viel Fantasie zum Verständnis, wie solche Wetten ausgehen. Am besten macht man es daher wie Hilmar Kopper. Doch Vorsicht: Die beklagte Bank tarnte zumindest zur streitgegenständlichen Zeit und Jahre danach ihre Zertifikate mit dem verharmlosenden Namen "Zinsanleihe" (Beweis)!

Ein Zertifikat ist eine von der Bank dem Kunden angebotene Wette auf den Verlauf eines "Basiswertes". Deshalb ist ein Zertifikat ein sog. "Derivat", d.h. ein aus einem anderen Produkt, dem Basiswert, "abgeleitetes" Finanzprodukt. Basiswerte können prinzipiell alles sein, worauf man wetten kann. Im vorliegenden Fall ist der Basiswert der Aktienindex "DJ Euro Stoxx 50", ein Index auf 50 börsennotierte europäische Unternehmen. Als "Zinschance" bezeichnen Banken oft die Wettprämie, die der Kunde jährlich erhält, wenn der Kurs des Basiswerts "DJ Euro Stoxx 50" während der Laufzeit des Zertifikats innerhalb eines "Korridors" seitwärts verläuft. Bleibt der Kurs des Basiswerts während der gesamten Laufzeit des Zertifikats innerhalb dieses Korridors oder durchbricht er ihn nach oben, so hat der Kunde die Wette gewonnen, erhält die jährliche Wettprämie und darf sein eingesetztes Geld behalten. Durchbricht der Basiswert während der Laufzeit des Zertifikats jedoch die untere Grenze des Korridors, die oft "Puffer", "Schwelle" oder "Barriere" genannt wird, so hat der Kunde die Wette verloren und erhält keine Wettprämie. Schlimmer ist jedoch, dass der Kunde beim "Reißen" der Barriere mit einem Verlust, der dem Puffer entspricht, im Aktienmarkt landet. Beträgt der Puffer z.B. 30% vom Kurs des Basiswerts bei Zertifikatsemission, so hat der Kunde im Moment des Reißens der Schwelle schon einen Verlust von 30% erlitten. Was er bei Fälligkeit des Zertifikats von seinem Wetteinsatz zurückbekommt, hängt vom jeweiligen Tageskurs des Basiswertes ab. Wer also ein Zertifikat auf den "DJ Euro Stoxx 50" bei einem Stand von 4.000 Punkten gekauft hat, erhält bei Endfälligkeit des Zertifikats noch die Hälfte seines Wetteinsatzes zurück, wenn der "DJ Euro Stoxx 50" dann bei 2.000 Punkten notiert. Eine im Jahr 2007 abgeschlossene Wette auf den "DJ Euro Stoxx 50" ist wegen der Finanzkrise von 2008 mit ihren Folgen für die europäischen Unternehmen ein schlechtes Geschäft für den Kunden und ein sehr gutes für die Bank.

Bis hier haben wir nur das sog. "Kursrisiko" des Zertifikats betrachtet. Zur Katastrophe gerät dieses Zertifikat jedoch, wenn der Emittent etwa "Lehman Brothers" hieß. Dann schlägt das sog. "Emittentenrisiko" voll durch. Für Zertifikate als "Inhaberschuldverschreibungen" haftet nur der Emittent. Wenn dieser insolvent ist, ist der gesamte Wetteinsatz verloren, nicht nur die Wettprämien. Das bedeutet Totalverlust des eingesetzten Kapitals. Ein "Einlagensicherungsfonds" greift hier ebenso wenig wie Garantieerklärungen europäischer Regierungen für (üblicherweise) 100.000 Euro.

Ich würde nie bewusst mein Geld in ein Zertifikat "anlegen". Nur Spieler verzocken ihr Geld mit Wetten, deren Regeln Banken bestimmt nicht zum Vorteil des Kunden gestalten. Das empfehlenswerte Buch "Der Raubzug der Banken" von Malte Heynen, erschienen im Karl Blessing Verlag, beschreibt auf den Seiten 211 ff im Kapitel "Zertifikate - und täglich grüßt Lehman Brothers" eingängig und leicht verständlich all die Nachteile und Risiken dieser Form der "Geldanlage", die Ihnen Ihr Bankberater verschweigt. Der Satz: Der Kunde gewinnt nur dann, wenn die Bank verliert auf Seite 212 dieses Buches sagt zutreffend allein schon alles über die "Fairness" solcher von Banken aufgelegten Wetten. Wer glaubt im Ernst, dass Banken die Wettkonditionen so gestalten, dass der Kunde gewinnen kann und die Bank verliert? In der Webseite über den Präzedenzfall am Landgericht Wiesbaden zu meiner Klage gegen die "Bank an Ihrer Seite" finden Sie eine kurze Beschreibung des mir angedrehten Hybridprodukts aus einem "Bonuszertifikat" und einem modifizierten "Expresszertifikat".

Die Nachteile von Zertifikaten liegen auf der Hand und sind gravierend:

  1. Kursrisiko,
  2. Emittentenrisiko,
  3. fester Fälligkeitstermin, der ein Aussitzen schlechter Börsenzeiten anders als bei Aktien unmöglich macht,
  4. Abschlag von 10% bis 15% des Derivatprodukts gegenüber dem Kurs des Basiswertes bei vorzeitigem Verkauf vor Fälligkeit,
  5. Gestaltung der Wette durch die Bank, deren Researchabteilung den wahrscheinlichen Verlauf des Basiswertes dank ausgeklügelter mathematischer Methoden mit sehr großer Genauigkeit prognostizieren kann, was dem Wettgegner "Kunde" stets zum Nachteil gereicht.

Dazu schreibt Malte Heynen in seinem Buch auf Seite 212 weiter: Eine von vielen Gefahren bei Zertifikaten: Man muss seinen Wetteinsatz der Bank sofort zahlen, bekommt aber das Geld von der Bank erst zurück, wenn man die Wette beendet. Man gibt also der Bank einen Kredit, solange die Wette läuft - und erhält für diesen Kredit von der Bank keinerlei Sicherheiten. Wenn sie pleitegeht, muss man sich mit allen anderen Gläubigern um die Insolvenzmasse streiten. Einen Einlagensicherungsfonds gibt es bei Zertifikaten nicht (Ausnahme: Zertifikate der Sparkassen, Volksbanken oder Raiffeisenbanken).

Wie solche Zertifikate verharmlosend als "Zinsanleihen" an den Kunden gebracht werden und welche Sicherheit dem Kunden bei diesen riskanten Anlageformen vorgegaukelt wird, sehen Sie besonders plastisch an diesem Beispiel einer "Zinsanleihe" dieser Bank vom September 2008, genau zur Zeit der Lehmanpleite. Diese "Zinsanleihe" ist natürlich wieder nichts anderes als ein getarntes Zertifikat: Sie werden das Wort "Zertifikat" weder im Anschreiben noch in den Produktunterlagen finden. Das Zertifikat ist de facto ein zinsloses Darlehen des Kunden an die Bank zuzüglich einer Einmalzahlung des kreditgebenden (!) Kunden von 2% des Darlehensbetrags bei der Kreditvergabe und dem Risiko des Kreditausfalls. Ohne den deutschen Steuerzahler wäre dieser Kreditausfall vermutlich 2009 eingetreten. Dieser Sachverhalt wird natürlich in den Produktunterlagen verschwiegen. Es wird in den Produktunterlagen dieser "Zinsanleihe" sogar expressis verbis (!) eine Sicherheit vorgegaukelt, die es bei dieser Form der Geldanlage gar nicht gibt (erster Beweis, zweiter Beweis, dritter Beweis).

Hilmar Kopper, ehemals Vorstandssprecher der Deutschen Bank, ist stolz darauf, 'kein einziges Zertifikat' in seinem Depot zu haben. Das waren die Papiere, die auch die Deutsche Bank ihren Kunden massenhaft verkauft hatte (Zitat aus der "Süddeutschen Zeitung" und aus zwei Sendungen "Hart aber Fair". Er wird seine guten Gründe dafür haben. In einer dieser Sendungen argumentierte er: Wenn ich kein Zertifikat haben will, sage ich das. So einfach ist das. Woher aber weiß ich, dass ich ein Zertifikat kaufe, wenn mir die Bank eine "Zinsanleihe" andient?